Egal ob es um das Gehalt, Aufstiegschancen oder Anerkennung geht: Auch in unserer heutigen Gesellschaft sind Frauen und Männer nicht gleichgestellt. Doch das sollte niemanden mehr überraschen. Auch wenn wir im 21. Jahrhundert leben und sich im Laufe der Geschichte viel getan hat für die Gleichstellung der Frau, am Ziel angekommen sind wir dennoch noch lange nicht.
Doch wie sieht das konkret in der Filmbranche aus? Jede und jeder von uns schaut sich mehr oder weniger regelmäßig Filme und Serien an. Ob im Live-TV, über Streaming-Plattformen wie Netflix, oder im Kino. Wir meinen, das Geschlechterverhältnis vor der Kamera zu sehen, jedoch stellt sich die Frage, ob wir es auch wahrnehmen. Und wie sieht es mit den Menschen hinter der Kamera aus? Wer Regie führte, den Film produziert, für die Kamera- und Tontechnik verantwortlich ist oder die Kostüme entworfen und geschneidert hat, wissen wir nur selten. Es besteht die Gefahr, dass man dabei schnell übersieht, wie ungerecht es in der Branche zugehen kann.
Wo sind nur die ganzen Frauen?
Schaut man sich alle bisher verliehen Oscars für die beste Regie an, sucht man lange nach einer weiblichen Gewinnerin – und das, obwohl es die Oscars bereits seit 1929 gibt. Erst 2010 ging der erste Oscar in dieser Kategorie an eine Frau, Kathryn Bigelow für "Tödliches Kommando". Viel getan hat sich seitdem nicht. Nur zwei weitere Regisseurinnen konnten seitdem einen Oscar für die beste Regie mit nach Hause nehmen. Doch woran liegt das? Interessieren sich einfach weniger Frauen für Regie?
Nein. Eine Studie des ARD und ZDF in Kooperation mit der Filmförderungsanstalt (FFA) und dem Fraunhofer-Institut aus dem Jahr 2017 hat herausgefunden, dass beinahe gleich viele Frauen wie Männer einen Abschluss in Regie machen (44 %). Ende der 90er Jahre sah das nicht anders aus: 44 % der Regie-Studierenden waren weiblich. Doch der Markt wird von Männern dominiert. Denn in 72 % der Fälle führen Männer die Regie – allein oder in Teams.
Dem möchte man zum Beispiel auch in Karlsruhe entgegenwirken, indem Frauen in der Regie gefördert werden. Während Frauen bei den Oscars übersehen werden, wird hier der Scheinwerfer auf sie gerichtet: So gibt es auf den INDEPENDENT DAYS | Internationale Filmfestspiele Karlsruhe seit 2016 den Female Award für die beste weibliche Regiearbeit. Die Gewinnerin in diesem Jahr war die US-amerikanische Filmemacherin Ayesha Adamo für ihren Kurzfilm „We are the Prototypes“.
Das gleiche Problem wie im Bereich der Regie gibt es im Bereich Schnitt bzw. Montage: Damals waren nur 18 % der Alumni in diesem Bereich männlich. Dementsprechend müssten heute ungefähr 18 % der Filme von Männern geschnitten werden. Die Realität sieht jedoch anders aus: 2011 bis 2015 wurde über die Hälfte der Filme von Männern geschnitten. Alle, die einen genauen Blick in die Daten werfen wollen, finden die Studie „GENDER UND FILM – Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland“ auf der Website der Filmförderungsanstalt. Aber wo sind nun die ganzen Frauen hin?
Das Problem mit dem Risiko
In unserer heutigen Gesellschaft ist es nach wie vor so, dass Frauen mehr Care-Arbeit übernehmen. Frauen haben häufiger Aufgaben wie Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen. Auch sind ca. 80 % aller alleinerziehenden Elternteile weiblich. Frauen sind deswegen stärker auf einen sicheren und geregelten Beruf angewiesen. Die Filmbranche ist jedoch alles andere als sicher. Die Studie des ARD und ZDF fand heraus, dass 80 % der befragten Filmschaffenden freiberuflich oder projektgebunden arbeiten. Gerade Corona hat gezeigt, welchem Risiko freischaffende Künstlerinnen und Künstler ausgesetzt sind. Brechen die Aufträge weg, fehlt auch der Lebensunterhalt. Ist man dann nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern auch für ein Kind und fehlt zudem der Rückhalt durch einen Partner oder eine Partnerin, wird es finanziell schnell kritisch. Die Lösung: Frau wählt einen Beruf, der ein gesichertes Einkommen verspricht und im Idealfall mit einem geregelten Arbeitsalltag einhergeht.
Ist dann auch noch der Berufseinstieg alles andere als einfach oder werden die Erfolgschancen als schlecht wahrgenommen, werden bestimmte Berufsfelder in der Filmbranche immer unattraktiver. Gerade in den Bereichen Regie und Drehbuch sei der Berufseinstieg besonders schwierig. Regisseurinnen empfinden zudem, dass sie sehr schlechte Zukunftsperspektiven haben. Männliche Regisseure sind diesbezüglich zuversichtlicher.
Das Problem veralteter Rollenbilder
Heute studieren in etwa gleich viele Frauen und Männer Regie, Drehbuch und Produktion. In anderen Filmbereichen ist es jedoch weniger ausgewogen: Während im Bereich der Szenografie ein Frauenüberschuss besteht, sind Männer in den Bereichen Kamera und Ton überrepräsentiert. Vor ca. 25 Jahren sah das Verhältnis zwischen Frauen und Männern in einzelnen Bereichen anders aus: Im Schnitt bzw. Montage hat sich der Anteil von Männern fast verdreifacht, von 18 auf 49 %. Der Anteil von Frauen im Produktionsstudium ist um neun Prozentpunkte gestiegen. Auch im Bereich der Kamera- und Tontechnik hat sich was getan: Der Anteil von Frauen hat sich seit Ende der 90er-Jahre mehr als verdoppelt. Klingt vielversprechend, ist es aber nicht. Denn während vor ca. 25 Jahren im Durchschnitt 5 % Kamera- und Tonstudierenden weiblich waren, sind es 2015 gerade mal 11 %. Was ist da los?
Ein Grund dafür könnten in uns verankerte Rollenbilder und Stereotype sein. Gerade in technischen Berufen wird Frauen weniger zugetraut oder sie trauen sich selbst zu wenig zu. Die Rollenbilder, Männer seien technisch und naturwissenschaftlich begabter, Frauen seien hingegen in sozialen Berufen besser, ist nach wie vor in unserer Gesellschaft verankert. Manche Menschen scheinen sich mit der ihnen zugeschriebenen Rolle zu identifizieren, andere jedoch nicht. Vor allem werden jene Menschen dabei übersehen, die sich in keine der Geschlechterkategorien einordnen können oder wollen. Es gilt also die veralteten Rollenbilder aufzubrechen und einen Raum zu schaffen, wo jede Person den Beruf ausüben kann, den sie will.
Wie Frauen in der Filmbranche gefördert werden
Nicht nur Frauen sind im Filmbusiness unterrepräsentiert. In dieser Branche fehlt es allgemein an Diversität. Damit dies nicht länger so bleibt, machen unter anderem der Verein Pro Quote Film und die MaLisa Stiftung darauf aufmerksam.
Das Ziel von Pro Quote Film ist die gerechte Teilhabe und Abbildung aller gesellschaftlichen Gruppen vor und hinter der Kamera. Pro Quote Film hat insgesamt zehn Forderungen aufgestellt, die das erreichen sollen. Welche das sind, kann auf der Website Pro Quote Film nachgelesen werden. Die MaLisa-Stiftung setzt sich in Deutschland für „gesellschaftliche Vielfalt und die Überwindung einschränkender Rollenbilder“ ein. In zahlreichen Studien untersucht die Stiftung Geschlechtergerechtigkeit und die Darstellung gesellschaftlicher Gruppen in der Film- und Musikbranche und macht somit auf aktuelle Missstände aufmerksam.
Sexismus im Filmbusiness
Aber nicht nur hinter der Kamera ist ein Ungleichverhältnis zwischen Männern und Frauen zu erkennen. Oft wird übersehen, dass es auch vor der Kamera nicht gleich zwischen Männern und Frauen zugeht – obwohl wir es doch eigentlich sehen müssten. Frauen sind im deutschen Film und Fernsehen nach wie vor unterrepräsentiert. Die gute Nachricht ist jedoch, dass eine positive Entwicklung zu erkennen ist. Jedoch ist der Anteil gezeigter Frauen unter anderem vom Alter der Frau abhängig. So sind zum Beispiel nur 30 % aller Schauspielerinnen und Schauspieler über 50 Jahre Frauen. Aktionen wie „Let’s change the Picture“ sollen dem entgegenwirken und wollen Sichtbarkeit für Frauen über 47 Jahren schaffen.
Doch nur, weil Frauen und Männer gleichermaßen auf der Leinwand zu sehen sind, heißt das nicht, dass es in Filmen und Serien gleichberechtigt zugeht. Denn es ist nicht nur wichtig „ob“ Frauen repräsentiert werden, sondern auch „wie“. So werden auch in heutigen Produktionen noch Stereotype und Rollenbilder reproduziert.
Mit drei einfachen Fragen Sexismus aufzeigen
Dass es im Film nicht gleichberechtigt zugeht, zeigt allein schon das Vorhandensein des sogenannten Bechdeltests. Der Test umfasst drei einfache Fragen:
- Gibt es mindestens zwei Frauenrollen, die einen Namen haben?
- Sprechen die Frauen miteinander?
- Handelt das Gespräch von etwas anderem als einem Mann?
Werden alle drei Fragen mit „Ja“ beantwortet, ist der Test bestanden. So einfach dieser Test auch aussehen mag, so schwer scheint es, ihn zu bestehen. Doch nur weil ein Film den Test besteht, erfahren Frauen dort nicht unbedingt eine bessere Repräsentation als in Filmen, die durchfallen. Ein Beispiel dafür ist der Film „Fifty Shades of Grey“. Auch wenn zwei namentlich benannte Frauen sich über etwas anderes unterhalten als einen Mann, lässt sich doch über die Darstellung von Frauen in diesem Film diskutieren.
In einer Gesellschaft, in der Frauen aufgrund ihres Geschlechts weniger verdienen oder schlechtere Aufstiegschancen haben als Männer, kann nicht von Gleichberechtigung oder Gleichstellung gesprochen werden. Wir sind beim Film noch lange nicht bei dem angekommen, was man Parität zwischen den Geschlechtern nennen kann. Ist demnach eine Frauenquote beim Film sinnvoll? Ja, denn nur wenn Frauen gleichermaßen gefördert werden und die gleichen Chancen wie Männer haben, ist ein fairer Wettbewerb möglich. Und nur so können sie ein Vorbild für angehende Regisseurinnen, Kamerafrauen und Produzentinnen sein.
Autorin: Ann-Sophie Linnartz
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